Diese Woche schreiben wir über mein neues Steckenpferd: Die angewandte Selbstmedikation bei Pferden. Dieser Blogbeitrag verschafft Euch einen Überblick, wie sich Tiere selbst heilen und wie wir diesen Prozess unterstützen können.
"Kapuzineraffen reiben sich beispielsweise mit dem Gift von Tausendfüsslern ein, um lästige Mücken zu vertreiben".
Schlau, nicht wahr?
Nicht nur wir Menschen werden krank, auch die Tiere. Wenn der Bauch zwickt, wissen sie sich allerdings selbst zu helfen: Wilde Tiere greifen instinktiv zu gewissen Gräsern, "Dreck" und Blättern, damit es schnell wieder bessergeht. Einige Beispiele:
Hunde fressen Gras, um Erbrechen zu herbeizuführen.
Aras im Amazonasgebiet nehmen den tonhaltigen Flussufer-Boden zu sich, um sich zu entgiften.
Koalas fressen Erde, wenn sie einen giftigen Eukalyptusstängel erwischt haben.
Landschildkröten graben im Boden nach kalziumhaltigen Mineralien, die ihren Panzer stärken.
Das tierische Verhalten geht allerdings um einiges tiefer: Einige Arten tun sich an Tonerde, Holzkohle und giftigen Pflanzen gütlich, um parasitären Befall oder Vergiftung abzuwehren.
Der Fachbegriff für die Selbstmedikation lautet " Zoopharmakognosie", eine Definition lautet:
"Zoopharmakognosie ist das Verhalten, dass Tiere zeigen, wenn sie sich anscheinend selbst durch die Auswahl und Einnahme von Pflanzen, Böden, Insekten und psychoaktiven Substanzen heilen. Das Wort leitet sich aus den griechischen Wortwurzeln 'Zoo' ("Tier") 'Pharmaco' ("Medikament") und gnosy/cognoscere ("wissen") ab.
Populär wurde der Begriff Zoopharmakognosie dank dem Buch "Wild Health" von Cindy Engel: Gesundheit aus der Wildnis. Wie Tiere sich selbst gesund erhalten und was wir von ihnen lernen können.
Ist das nicht unglaublich spannend? Als ich das erste Mal davon gehört habe, war ich total fasziniert. Dass dieses Verhalten für Wildtiere Sinn macht, war mir klar.
Doch ich stellte mir die Frage, wie wir die Apotheke der Natur unseren domestizierten Tieren, vor allem unseren Pferden, zur Verfügung stellen können. Das heutige Angebot an Wildpflanzen stellt sich für unsere Pferde nämlich ziemlich ärmlich dar. Unsere Weiden und Wiesen enthalten nur noch selten Kräuter oder unterschiedliche Gräser. Und wenn wir ihnen Kräuter anbieten, dann sind es meist Mischungen oder Müslis. Aber nicht jedes Pferd braucht immer alles aus so einer Mischung, und je nachdem schon gar nicht Getreide oder anderes Stoffe in Müslis.
Genau hier setzt die Methode der "angewandten" Selbstmedikation an.
Nach kurzer Recherchearbeit stiess ich auf Caroline Ingraham. Sie gilt als die Gründerin und Expertin der angewandten Selbstmedikation bei Tieren. Sie hat sich intensiv mit Haus-, Zoo- und Nutztieren beschäftigt und eine Methode daraus entwickelt.
Aus einem Angebot ausgewählter, natürlicher und teilweise konzentrierter Pflanzenextrakte kann ein Tier auswählen, was es gerade braucht.
Solche Angebote können sein:
Getrocknete Kräuter, Blüten, Wurzeln
Verschiedene Tonerden
Fette Pflanzenöle
Mazerate (Ölauszüge)
Hydrolate (Ingwer-, Orangenblüten-, Rosenhydrolate. Diese entstehen bei der Gewinnung von ätherischen Ölen durch Wasserdampfdestillation.)
Ätherische Öle (Lavendel, Mimole, Pfefferminze, Neroli)
Wichtig ist, dass die Substanzen, wenn möglich, bio-zertifiziert sind und aus sicheren Quellen stammen.
Inwiefern ist angewandte Selbstmedikation für Pferde nützlich?
Am besten erkläre ich das Vorgehen gleich an einem allgemeinen Beispiel. Nach einer Problemschilderung stellt die fachkundige Person eine Auswahl an Extrakten zusammen. Diese bietet man dem Pferd nach und nach zur freien Auswahl an. Das Pferd soll die "Führung übernehmen" und mit seiner Körpersprache zeigen, ob es ein Extrakt braucht.
Ein wichtiger Schritt dabei ist die genaue Beobachtung, weil Pferde sehr genau mit ihrer Kommunikation sind. Sie zeigen uns durch verschiedene Zeichen, welchen Nährstoff oder welchen Pflanzenextrakt oder auch welches ätherische Öl sie gerade benötigen, um z.B. Schmerzen zu stillen, Nährstoffdefizite auszugleichen oder Leber und Niere zu unterstützen oder zu reinigen.
Zeichen der Pferde können subtil sein:
Blinzeln, Augen schliessen
Gähnen
Schnuppern
Veränderung der Atmung
Oder auch deutlicher:
Flehmen
Niesen
Auf die Substanz stürzen
Wichtig ist, dass man das Pferd wählen lässt. Es bestimmt selber, was es gerade braucht, wie viel davon, und auf welche Weise. Meist durch Inhalation oder fressen oder lecken, aber auch auftragen an bestimmten Körperstellen.
Meine Kursteilnahme in angewandter Selbstmedikation
Ich wollte mehr wissen und das ganze in der Praxis sehen. Also flog ich nach England, um Caroline persönlich kennen zu lernen und mehr über Selbstmedikation bei Pferden zu lernen.
Viel Theorie über die Pflanzen, Kräuter und ätherische Öle, ihre potentiellen Heilungseffekte und Anwendung am Pferd mit ebenso intensiver praktischer Arbeit von Caroline an verschiedenen Pferden mit unterschiedlichen Problembildern, haben mir eine neue Welt eröffnet. Der Kurs war eine Offenbarung und wie ein fehlendes Puzzleteil in meinem bisherigen Pferdewissen.
Ich konnte live miterleben, wie Pferde sich für verschiedene Nährstoffe und Extrakte entscheiden, wie ihr Verhalten sich veränderte und – besonders spannend: die angebotenen Stoffe nicht als Futter, sondern als Heilmittel identifizierten.
Unter anderem konnte ich mit Caroline’s Anleitung auch definieren, welche Pflanzen im Offenstall angebaut und angeboten werden können, damit unsere Pferde sich schon vor grösseren Krankheiten selber zur Heilung verhelfen können. Ein „Medizingarten“ für unseren Stall ist schon in Planung :-)
Mehr Infos und weiterführende Links zum Thema findet Ihr hier:
Noch ein Satz zum Schluss: die angewandte Selbstmedikation sollte nicht einfach so durchgeführt werden und ersetzt auf gar keinen Fall eine Konsultation bei dem Tierarzt Eures Vertrauens!
Ich freue mich auf Eure Fragen und Euer Feedback!
Nicole
Comments